Die Diskussion um geeignete Beratungsstrategien wird mitunter sehr polarisierend geführt. „Problemorientiert“ klingt in der Sprache mancher Erfolgscoaches wie ein Schimpfwort, das für „Probleme wälzen“ und „keine Lösung finden“ steht.

Lösungsorientierte Ansätze werden von ihren Kritikern gerne mal als oberflächlich abgewertet, weil Lösungen ohne Ursachenklärung Flickschusterei seien, oder im Neu-Deutsch „work-arounds“, die lediglich Symptome beseitigen und vordergründige Antworten bereitstellen würden..

Die fundierte Problemanalyse steht am Anfang des Beratungsprozesses

Keines der bewährten Verfahren in der Organisationsberatung, in Psychotherapien und Supervisionen kommt ohne eingehende Problemanalyse aus. Woran soll sich sonst der angestrebte Beratungsprozess orientieren?

Doch während es bei einfachen, meist linearen Ursache-Wirkungs-Beziehungen sehr leicht fallen wird, den Ursprung einer problematischen Entwicklung zu identifizieren, gelingt das bei komplexeren, nicht-linearen Beziehungen der untersuchten Faktoren nicht so einfach.

Befürworter lösungsorientierter Verfahren befürchten nun eine Fixierung auf das Problem. Sie betonen die hemmende Wirkung, die eine zu sehr auf problematische Entwicklungen fokussierte Betrachtungsweise haben könne. Das behindere die Fähigkeit, konstruktive Veränderungen zu erzielen. Stattdessen sei es empfehlenswert, den Blick auf die Wahl geeigneter Lösungsstrategien zu richten. Fragen wie „wann war dieses Problem einmal weniger stark vorhanden“ führten zur raschen Veränderung, wenn es gelinge, Faktoren zu identifizieren, die „damals“ anders gewesen seien. Man brauche diese dann nur noch wiederherzustellen.

Aber was ist eigentlich „problemorientiert“?

Gelegentlich werden damit psychodynamische Verfahren beschrieben, die sich eingehender mit problematischen Zusammenhängen beschäftigen, als dies andere Verfahren tun. Die genaue Analyse sogenannter „dysfunktionaler“ Konfliktlösungs- oder Beziehungsmuster soll zum Beispiel verhindern, dass verborgene Hemmnisse immer wieder in die gleichen Sackgassen führen.

Bevor Lösungen gefunden werden können, muss man verstehen, was eigentlich „das Problem“ ist. Das kann zunächst einmal die Hoffnung auf eine schnelle Lösung behindern. Wenn die eigentlichen Ursachen nicht erkannt und verstanden werden, können keine gezielten, nachhaltigen Veränderungen entstehen.

Orientierungshilfe ist gefragt

Als Kriterium für die Auswahl eines geeigneten Beratungsansatzes ist m.E. entscheiden, für welche Fragestellung welches Beratungsverfahren geeignet ist. Dafür brauchen Sie einen differenzierten Einblick. Den gewinnen Sie durch

  • die eingehende Berücksichtigung Ihrer Fragestellung, mit der Sie eine Beratung aufsuchen
  • in Verbindung mit identifizierten Ursachen und
  • den jeweiligen Systemvoraussetzungen in Ihrer Organisation/Ihrem Arbeitsfeld
  • unter der Maßgabe zur Verfügung stehender Ressourcen,
  • was die Eingrenzung auf Methoden ermöglicht,  die auf diese Voraussetzungen zugeschnitten sind.

Weder eine Fixierung auf Schwierigkeiten, noch das vorschnelle Erarbeiten von Lösungen ist der Sache dienlich.

Je weniger der Berater, den Sie konsultieren, davon abhängig ist, Sie als Klienten zu gewinnen, desto offener wird er dafür sein, Ihnen nach eingehender Klärung des Beratungsanlasses gegebenenfalls auch einen anderen Ansatz zu empfehlen, als den eigenen. Je breiter der theoretische und vor allem der Erfahrungs-Hintergrund des Beraters, Coaches oder Supervisors ist, desto eher werden Sie von ihm erwarten können, dass er Ihnen die Vorteile der verschiedenen Methoden erklärt, und auch offen deren Einschränkungen nennen wird, bezogen auf Ihre Fragestellung.

Was wirkt, hat auch Nebenwirkungen

Auch in Beratungsprozessen gilt dieser Grundsatz. Ob diese Nebenwirkungen rechtzeitig bemerkt werden und wie ihnen dann entgegen gewirkt werden kann, bevor Schäden entstehen, hängt meiner Erfahrung nach davon ab,

  • wie vertraut der betreffende Berater oder Supervisor mit seinem Verfahren ist,
  • wie aufmerksam er sich auftauchenden Problemen zuwendet (damit bekommt „Problemorientierung“ noch eine neue Konnotation) und
  • ob er neben der Berufserfahrung in der konkreten Beratungspraxis auch über ausreichende Selbsterfahrung verfügt, sich selbst beraten und seine Arbeit supervidieren lässt.

Qualitätssicherung orientiert sich an problematischen Prozessen

Zu schnell gerät im Eifer des Gefechts nicht nur das Ziel aus den Augen, sondern eben auch der Prozess selbst. Neben einer gründlichen Selbstreflexion gehört das „Nachdenken über das, was wir tun“ nicht nur ins Zentrum jeder Supervision, sondern auch zum Selbstverständnis jedes professionellen Beraters, und eine Orientierung an problematischen Beratungsverläufen ist Teil einer verantwortungsvollen Qualitätssicherung in der Praxis des Supervisors oder Beraters.

Vor jeder Diskussion stellt sich die Frage: was nützt wem, was habe ich davon? Jeder undifferenzierte „Schulenstreit“ ist mehr oder weniger vom Eigennutz der Beteiligten geleitet. Wenn Sie nach einer geeigneten Beratungsform suchen und sich orientieren wollen, braucht Sie dieser Streit im Grunde nicht zu interessieren. Wichtiger ist, sich ein differenziertes Bild davon zu machen, welche geeigneten Beratungsformate es für Ihren Bedarf gibt. Dann kann sich die Frage, ob problemorientiert oder lösungsorientiert, mitunter schnell erübrigen.