Zuhören! Eine Aufforderung, die sich – wie ich finde – gut als Neujahrswunsch für 2013 eignet. Und zwar besonders für Fachkräfte, die mit Menschen arbeiten. Ob in der wirtschaftlichen Entwicklungszusammenarbeit, ob in therapeutischen, beratenden oder sozialen Berufen – Zuhören ist die wichtigste Aufgabe, die am Anfang aller helfenden Aktivitäten steht.

Ernesto Sirolli, der Gründer und Inhaber des „non-for-profit“ – Beratungsinstituts „Sirolli Institute“, hielt am 01. September 2012 in Christchurch, Neuseeland, eine viel beachtete Rede bei TED – Ideas worth spreading, die ich Ihnen nicht vorenthalten möchte: hier über einen direkten Link zu TED, in einer Fassung mit deutschen Untertiteln. Sie wurde in 4 Monaten knapp 620.000 mal bei TED gehört bzw. angesehen.

Mund halten und zuhören!

Sirolli arbeitete als junger Mann in vielen Ländern Afrikas und lernte dort mehr, als er anderen beibringen konnte. Nachdem er feststellen musste, dass der besserwisserische Ansatz, mit dem (auch heute noch) viele „Entwicklungshelfer“ die Menschen dort beglücken, mehr schadet als nutzt, mehr zerstört als aufbaut, begann er, den Menschen zuzuhören, und sie nicht mit Dingen zu traktieren, die sie weder hören noch lernen wollten, geschweige denn mussten. Und er gewann wichtige Einsichten für ein in den nachfolgenden Jahren in vielen hundert Ländern und Unternehmen erfolgreich eingesetztes Entwicklungskonzept.

Was aber hat eine solche Ansprache in einem Blog für Supervision und Beratung zu suchen?

Einmal denke ich – wie ich es bereits in der Einleitung schrieb – dass Zuhören eine der wichtigsten Aktivitäten sprechender, helfender Berufe ist. Zum anderen überzeugt Sirolli mit einer Paarung aus Witz und Bescheidenheit, die eine wichtige Ergänzung zur Fähigkeit des Zuhörens bildet. Insofern ist die Rede selbst meines Erachtens ein Lehrstück für Vortragsredner, Moderatoren, aber auch: Therapeuten, Menschen in sozialen Berufen und Professionelle im Gesundheitswesen.

Als kleine Anregung möchte ich jedoch hier einige Punkte herausgreifen, die mich besonders angesprochen haben, und damit auch Sie zum Nachdenken und Diskutieren anregen:

Zunächst mit einem Zitat von Ernst Friedrich Schumacher, einem britischen Ökonom deutscher Herkunft, aus dessen Buch „Small is Beautiful“. Bezogen auf die wirtschaftliche Entwicklungszusammenarbeit, sagt dieser:

Wenn jemand Ihre Hilfe nicht wünscht, lassen Sie ihn in Ruhe.

Und Ernesto Sirolli ergänzt dazu etwas sehr Wichtiges:

Das erste Prinzip von Hilfe ist Respekt.

Ich meine, das sollte im Grundsatz für jede Form der Hilfe gelten. Aber eben genau mit dieser Ergänzung, die auch den Titel dieses Beitrags herausstreicht: zuhören heißt, aufmerksam wahrnehmen, wann und wobei jemand Hilfe benötigt.

Ein weiterer Gedanke, der mich sehr ansprach, ist die Frage der erforderlichen Infrastruktur:

Sirolli: „Wir treffen uns mit den Einheimischen. Wir arbeiten nicht vom Büro aus. Wir treffen uns in Cafés und Kneipen. Wir haben keinerlei Infrastruktur.“ – Ein charmanter Gedanke zur Frage, was man alles NICHT braucht.

Und noch etwas, das mich ‚angesprungen‘ hat:

Das wichtigste ist Leidenschaft. Sie können jemandem eine Idee, eine Vorstellung geben. Und wenn dieser Mensch Ihre Idee nicht mag, was sollen Sie tun?
Seine eigene Leidenschaft für sein eigenes Wachstum, das ist das Wichtigste. Wir können jemand lediglich dabei helfen, das Wissen zu finden, das er für sein eigenes Wachstum benötigt. Niemand auf der Welt kann ganz für sich allein erfolgreich sein.

Ich hoffe, Ihnen mit diesem Beitrag eine hilfreiche Anregung weitergeben zu können, die auch ich nicht selbst gefunden habe.

Mein Dank gilt Elisabeth Greiner, die als Diplom-Psychologin und Systemische Beratering/Supervisorin in Mülheim a.d. Ruhr arbeitet, und die mich in unserem gemeinsamen Netzwerk, Google+, auf diese Rede hingewiesen hat.

Ich wünsche Ihnen ein erfolgreiches, zufriedenes und aufmerksames Jahr 2013, und freue mich über Ihren Kommentar, eigene Anregungen und Gedanken zum Zuhören. Vielleicht aber auch zu einem so provokanten Gedanken wie dem Fritz Schumachers: Wenn jemand Ihre Hilfe nicht wünscht, lassen Sie ihn in Ruhe…